Lockdown auch an der Krippe?

von Michael Sypien

Weihnachtsgedanken zu einer modernen Krippendarstellung aus Betlehem

Dass wir hier eine Krippe sehen, kann man schon erkennen: Ein angedeuteter Stall mit dem Schweifstern am Giebel, offenbar Maria, Josef, das Kind, ein paar Schafe auf der linken Seite. Rechts wohl die Sterndeuter aus der Ferne. Aber sie sind blockiert, sie kommen nicht weiter, eine Mauer steht zwischen ihnen und ihrem Ziel.

Der Holzschnitzer aus Betlehem, der diese Krippe gestaltet hat, will damit auf die politische Realität Betlehems aufmerksam machen: Die palästinensische Stadt ist von einer Mauer umgeben, durch die man nur durch strikte Kontrollen einreisen darf. Die Menschen in der Stadt sind eingesperrt/ausgegrenzt. Heutzutage kämen die Sterndeuter nicht so ohne weiteres zum Jesuskind, es wäre abgeschottet.

Abgeschottet fühlen sich in diesen Tagen auch viele bei uns. Die Pandemie schottet uns voneinander ab, steht wie eine Mauer zwischen uns, lässt nicht einmal in diesen Tagen spontane Kontakte, Nähe und Besuche zu.

Umso wichtiger ist, dass wir dieser Art von Mauer trotzen und uns nicht klein- und unterkriegen lassen. Christen leben aus dem Vertrauen, dass das vor über 2000 Jahren geborene Kind unser Bruder und der Heiland der Welt geworden ist. Er ist und bleibt uns nahe - durch alle Arten von Mauern hindurch. In der Beziehung zwischen ihm und uns gibt es keinen Lockdown - jedenfalls nicht von seiner Seite.

Wenn wir in diesem Jahr Weihnachten ganz anders feiern als wir es sonst immer gewohnt waren, hat das vielleicht auch etwas Gutes. Vielleicht spüren wir deutlicher als sonst: Was damals in Betlehem geschah, ist keine berührende Geschichte aus längst vergangenen Zeiten. Sie kann uns auch heute noch berühren, wenn wir uns von ihr ansprechen lassen: Gott kommt in unsere Welt, so wie sie ist, mit all ihren Gefährdungen, die uns dieses Jahr durch Corona so bewusst geworden sind.

Gott wird Mensch. Er teilt unsere Lebensbedingungen, unsere Ohnmacht und unsere Grenzen. Wir sollen spüren: Wir sind nicht allein und verloren in dieser unserer Welt. Gott ist da – mitten unter uns! Und deshalb gilt die Botschaft der Engel auch noch 2020: Fürchtet euch nicht!

In diesem Sinn besinnliche, aber auch zuversichtliche und fröhliche weihnachtliche Tage!

Wolfgang Kurfeß,
Religionslehrer am Schulort Ochsenfurt

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