Kerstin Meisner berichtet von ihrer Flucht aus der DDR

von Michael Sypien

Die bewegende Veranstaltung, bei der die Zeitzeugin Kerstin Meisner den Schülern von ihrer Flucht aus der DDR, der Unterdrückung und dem Mauerfall berichtete, faszinierte. Vor einem Publikum von etwa 70 Schülern und Schülerinnen hielt Frau Meisner einen packenden Bericht, gefolgt von einer offenen Fragerunde. Während des 45-minütigen Vortrags erzählte sie von ihren persönlichen Erfahrungen und den Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert war. Die Klassen hörten aufmerksam zu und waren äußerst interessiert an den Ereignissen, die sich vor ihrer Geburt abspielten. Die lebhafte Fragerunde zeugte von dem großen Interesse und der Neugierde der jungen Menschen, mehr über die Zeit der DDR, Flucht und den Mauerfall zu erfahren.

Kerstin Meisner, geboren 1964 in Potsdam, arbeitete damals als Facharbeiterin für Anlagentechnik im Brauereiwesen. Ihr Unbehagen gegenüber der fehlenden Meinungsfreiheit, dem einseitigen propagandistischen Diskurs der DDR-Führung und dem Mangel an Demokratie wurde schließlich zu viel für sie. Im März 1983 beschloss die damals 19-Jährige, ihr Leben in der Bundesrepublik Deutschland fortzusetzen. Gemeinsam mit ihrem Verlobten und einem Bekannten plante sie die Flucht über die ČSSR. Da sie keine gültigen Ausweispapiere besaß, wagte K. Meisner ein riskantes Versteckspiel im Zug. Sie versteckte sich unter einer Sitzbank, während ihre Begleiter bereits in Dresden bei der Passkontrolle aus dem Zug geholt und verhaftet wurden. Kurz vor Bratislava ereilte sie dasselbe Schicksal.

Kerstin Meisner wurde schließlich wegen "versuchter Republikflucht" zu einer Haftstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Sie verbüßte diese Strafe im Gefängnis, bevor sie im April 1984 im Rahmen des Häftlingsfreikaufs in die Bundesrepublik überführt wurde. Dies ließ sich die DDR gut bezahlen. Sie erhielt pro Häftling anfangs durchschnittlich ca. 40.000 DM. Dieser Betrag stieg später auf 95.847 DM. Insgesamt wurden rund 34.000 politische Gefangene freigekauft.

Aber auch in der BRD gab es einige Probleme zu überwinden. Das erste halbe Jahr lebte sie in einem Notaufnahmelager und es erwies sich als schwierig eine geeignete Stelle in einer Brauerei zu finden. Im Westen war dies Anfang der 80er Jahre noch ein reiner Männerberuf und die Firmen hatten keine Probleme ihr abzusagen, da getrennte Sozialeinrichtungen für Frauen und Männer nicht vorhanden waren.

Die Schülerinnen und Schüler zeigten großes Interesse an der Zeitgeschichte und stellten im Anschluss an den Vortrag vielfältige Fragen. Durch den direkten Kontakt mit einer Zeitzeugin konnten sie sich besser in die damalige Zeit hineinversetzen.

Der Vortrag von Kerstin Meisner hat das historische Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler gestärkt, ihre Empathie und ihr Verständnis für die Herausforderungen, mit denen Menschen in totalitären Regimen konfrontiert sind und es hat sie hoffentlich auch ein bisschen ermutigt, für die Werte der Freiheit und Demokratie einzustehen und sie zu schätzen.

Gerti Aloe

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